Belastungen am abgestrebten Flügel

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Timpilot
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Beitrag von Timpilot » Mo 29. Jan 2007, 17:18

<table width="90%" cellspacing="1" cellpadding="3" border="0" align="center"><tr> <td><span class="genmed">Zitat:</span></td></tr><tr><td class="quote">
aeroklaus schrieb am 29.01.2007 17:31 Uhr:
Aber wie ist das nun mit den Hilfsstreben? Sollen sie das Ausbrechen der Flächenstreben bei negativer Last verhindern?
Oder haben sie eine andere Funktion?

</tr></td></table>


Deine Vermutung ist 100%ig korrekt. Die Hilfsstreben stützen die Hauptstrebe. Die mögliche Belastung, welche zum Knicken führt wird durch diese Stütze ca. 4mal so groß, wenn die Hilfsstrebe in der Mitte an der Hauptstrebe angreift. Die Hilfsstrebe selbst muss allerdings keine sehr großen Lasten aushalten.

Das axiale Flächenträgheitsmoment ist verwandt mit dem Widerstandsmoment gegen Biegung. Anschaulich geben sie einen WErt dafür an, wie leicht sich ein bestimmtes Profil auf Grund seiner Geometrie in einer bestimmten Richtung verbiegen lässt. Das hängt in erster Linie davon ab, wieviel der Querschnittsfläche (also wieviel Material) weit entfernt von der Achse liegt, um die gebogen werden soll. Für einfache Geometrien findet man Tabellen mit den Werten.
Einfaches Beispiel: der Holm des Flügels. durch die Auftriebskräfte wird er auf Biegung beansprucht. Das Biegemoment wirkt um die Längsachse des Flugzeugs. Oben und unten am Holm sind die Gurte, welche viel Material anhäufen. Dadurch wird das Widerstandsmoment gegen Biegung erhöht weil die Gurte am weitesten von der Biegeachse entfernt liegen. Die Achse geht für den Holm in diesem Falle durch den Flächenschwerpunkt seines Querschnittes.
Noch einfacheres Beispiel: ein Flachstahl hat mehr Biegewiderstand, wenn er hochkant steht als wenn er quer liegt. Es liegt daran, das sich die Flächenverteilung des Querschnitts in Bezug auf die Biegeachse verändert.

HOffe ich habe kein Gedankenchaos hinterlassen.

Gruß, Tim
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Beitrag von busbumde » Mo 29. Jan 2007, 19:16

Sehr schön, Tim, Du bist gut in solchen Sachen hoch 4. Solche Leute braucht das Land der low und slow Flieger.

Ich frage mich schon seit geraumer Zeit, ob die Hilfsstütze, die das Beulen bzw. Auswandern der Strebe bei negativen G verhindert, nicht auch genau das Gegenteil machen kann. Und zwar dann, wenn sie so ungünstig an einem Flügelholm (zwei-Rohr-Flügel) angeschlossen ist, daß sich dessen Biegung bei negativer LAST über die Hilfsstrebe auf die Strebe überträgt und diese dann überhaupt erst auswandern läßt. Oder stützt sich solch ein Dreiecksverband dann über die Hilfsstrebe wieder in sich selbst ab und es bleibt bei einer gewissen Ausbiegung?

Gruß Dieter

Edit: Na ja, ist vielleicht ein bißchen viel, so ohne Skizze in den Raum gefragt, sorry.
busbumde
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Beitrag von busbumde » Mo 29. Jan 2007, 19:39

So, jetzt noch schnell eine Skizze zu der Frage von eben an Tim. Du siehst einen Flieger halbiert auf dem Kopf. Schwarz der unbelastete Flügel, violett skizziert unter großer Last. Bei 3,5 g sähe eine Sherpaflügel auch in etwa so aus. Führt nun die Hilfsstrebe dazu, daß die Hauptstrebe auswandert und somit schnell kollabiert oder hält sich so ein System dann mit Zug und Druck im Gleichgewicht oder ist die Frage nur für den speziellen Fall über ein finite elemente Modell zu beantworten? Ich frage deshalb, weil ich weiß, daß bei den meisten alten Ul die Hilfsstrebe und auch der hauptstrebenanschluß sowie die Folgen nie in einem solchen FE-Modell betrachtet wurden - huet noch werden.


Bild

Gruß Dieter (ich tu's auch nie wieder - oder doch?)
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Beitrag von Timpilot » Di 30. Jan 2007, 08:21

Hallo Dieter,

ja, ich denke Du hast schon recht, dass es bei "weicher" Flügelstruktur dazu kommen kann, dass die HIlfsstrebe einen Druck auf die Hauptstrebe und damit ein Biegemoment aufbringt. Die Knicksteifigkeit der STrebe würde dadurch stark vermindert, allerdings hält die HIlfsstrebe die Hauptstrebe ja auch gleichzietig fest und hindert sie am weiteren Ausbiegen.

Diese Thematik ist nur schwer pauschal zu beantworten. Ich denke es hängt sehr stark von der jeweiligen Gesamtkonstruktion ab.

Vielleicht sind es genau diese Zusammenhänge, welche durch Belastungsversuche geklärt werden sollen!?? Naja man könnte es auch rechnen aber bin da nicht so tief drin im Moment.

Gruß, Tim
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Beitrag von aeroklaus » Di 30. Jan 2007, 09:03

<table width="90%" cellspacing="1" cellpadding="3" border="0" align="center"><tr> <td><span class="genmed">Zitat:</span></td></tr><tr><td class="quote">
Timpilot schrieb am 29.01.2007 18:18 Uhr:
HOffe ich habe kein Gedankenchaos hinterlassen.

</tr></td></table>


nein, hast Du nicht. Theoretisch ist mir das schon klar, nur die Fachbegriffe
"axiale Flächenträgheitsmoment" und "Widerstandsmoment" sind mir nicht so geläufig.
Übrigens ist in der "WERKSTATTPRAXIS" sehr gut und anschaulich beschrieben, wie (nicht abgestrebte) Tragflächenholme funktionieren.


@Dieter: ist es nicht eher so, dass die Hebelkraft, die durch die drehbare Befestigung des Flügels durch die Bolzen an der Flügelwurzel (Aufhängung), die Streben auf Druck belastet, überwiegt? Und somit die Hilfsstreben funktionieren?
Du gehst ja in Deiner Überlegung eher davon aus, dass sich die Holme in sich verformen.

Grüsse Klaus
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Beitrag von Timpilot » Di 30. Jan 2007, 10:42

<table width="90%" cellspacing="1" cellpadding="3" border="0" align="center"><tr> <td><span class="genmed">Zitat:</span></td></tr><tr><td class="quote">
aeroklaus schrieb am 30.01.2007 10:03 Uhr:
Du gehst ja in Deiner Überlegung eher davon aus, dass sich die Holme in sich verformen.

</tr></td></table>


Das ist nicht so abwägig! Bin zwar eher weniger Classic-Uls geflogen bisher aber immerhin schon C22, wenn ich da einfach mal den das Höhenruder ein wenig auf und ab bewege im HOrizontalflug, dann kann man schön sehen wie sich die holme verbiegen und ähnliche Formen beschreiben wie in Dieters skizze.

@Klaus: Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir mal eine Literatursammlung zum Bau, zum Design und zur Festigkeit von Sportflugzeugen anlegen würden. Ich suche nähmlich selbst immer wieder. An der Uni lernt man vieles so sehr akademisch...das ist manchmal praxisfremd...ist aber schön das Hintergrundwissen zu haben.

@Dieter: Wie erstellst Du eigentlich immer diese Handskizzen mit schwarzem HIntergrund...sieht aus wie von der Tafel abfotografiert...

Gruß, TIm
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Beitrag von busbumde » Di 30. Jan 2007, 13:05

Hallo Tim und Klaus,

Tim, vermutlich hast Du recht, daß man es nur im Versuch oder halt im FE-Modell herausbekommt, was wirklich passiert oder nicht. Ich habe darüber auch nichts gefunden, auch keine Empirie, die etwas aussagt. Seltsam, entweder das Problem ist gar keines oder die Flieger erleben nie eine wirkliche negative Last, außer bei der Landung, aber das ist etwas ganz anderes.

Klaus, die Bolzen sollten bei solch einer Fläche (Rohr-Tuch) immer waagerecht sitzen, weil sonst durch den sehr kurzen Hebel der Aufhängung, im Regelfall ein U-beschlag, bei Durchbiegung der Fläche dort riesige Kräfte auftreten (Hebelarm 1:70 roundabout und mehr) und entweder ein Langloch produzieren oder den U-beschlag verformen oder das Zeug fliegt gleich ganz auseinander. Die von mir aufgeworfene Problematik, wenn es denn eine ist, besteht also auch bei senkrechtem Bolzen.

Aber richtig ist natürlich auch: Je mehr Durchmesser die Holmrohre des Flügels bekommen, je steifer der Flügel wird, desto kleiner wird diese Problematik, aber sie verschwindet nicht. Und schon garnicht zugunsten eines vertikalen Bolzens, um den man die Fläche nach hinten klappen kann. Vielleicht geht das Problem bei steiferen Rohr-Tuch Fläachen auch einfach in einer gewissen Aeroelastizität des Anschlusses verloren oder die Flieger werden positiv wie negativ nur gering belastet? Anders kann ich mir die senkrechten Bolzen an dieser Stelle, die es ja gibt, nicht erklären.

Gruß Dieter

Edit: Tim, ich muß die Skizze ja eh durch Irfanview jagen, um sie zu skalieren, und dann tippe ich auf negativ. Erinnert mich so nett an die Volksschule und gibt meinen "Ausführungen" doch gleich einen ganz anderen "Anstrich" :grin: Hab mich mit meinem Unsinn ja immerhin zum Ausbildungsleiter hochgepostet. Hoffe dadrüber kommt dann irgendwann Flugplatzdepp oder was ähnliches.
Stephan
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Beitrag von Stephan » Di 30. Jan 2007, 13:32

Nee der Flugplatzdepp, das möchte dann schon ich sein.
Du willst Empirien haben? Sach bescheid. Was soll ich mit meinen Fliegern mal anstellen?

Gruss Stephan
Lässt sich niemals durch den Amtsschimmel vom Himmel holen...
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Beitrag von busbumde » Di 30. Jan 2007, 16:10

<table width="90%" cellspacing="1" cellpadding="3" border="0" align="center"><tr> <td><span class="genmed">Zitat:</span></td></tr><tr><td class="quote">
Nee der Flugplatzdepp, das möchte dann schon ich sein.
Du willst Empirien haben? Sach bescheid. Was soll ich mit meinen Fliegern mal anstellen?
</tr></td></table>


Vorsichtig fliegen und schauen, ob sie dann auch noch fliegen :D

Im Ernst: Schau mal beim Sunnyfliegen nach links oder rechts und geh mal mäßig ins Querruder und sag mir, ob sich der untere Flügel zu dem der Knüppel dann jeweils zeigt nach hinten oder vorne bewegt. Einfach bei Gelegenheit mal einen Blick riskieren :D

Gruß Dieter
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Beitrag von aeroklaus » Di 30. Jan 2007, 16:14

<table width="90%" cellspacing="1" cellpadding="3" border="0" align="center"><tr> <td><span class="genmed">Zitat:</span></td></tr><tr><td class="quote">
busbumde schrieb am 30.01.2007 14:05 Uhr:
Klaus, die Bolzen sollten bei solch einer Fläche (Rohr-Tuch) immer waagerecht sitzen, weil sonst durch den sehr kurzen Hebel der Aufhängung, im Regelfall ein U-beschlag, bei Durchbiegung der Fläche dort riesige Kräfte auftreten (Hebelarm 1:70 roundabout und mehr) und entweder ein Langloch produzieren oder den U-beschlag verformen oder das Zeug fliegt gleich ganz auseinander. Die von mir aufgeworfene Problematik, wenn es denn eine ist, besteht also auch bei senkrechtem Bolzen.
</tr></td></table>


da hab´ich es wohl schlecht erklärt:
Die Flächen sind um die (waagrechten) Bolzen im Prinzip drehbar (nach oben/unten) angebracht und würden bei positiver und negativer Last auf-und abflattern wie ein Vogelflügel, würden die Streben sie nicht daran hintern. Die gesamte Fläche wirkt also wie ein Hebel, der an der Strebe zerrt oder drückt.

Diese Haupt-Hebelkraft überlagert den von Dir beschriebenen Effekt, zumindestens bis zu einem gewissen Grad, könnte ich mir vorstellen. Im normalen Flugzustand ist diese Hebelkraft stärker als die Kraft, die die Streben durch Verformung des Holmes verbiegen möchte.

Aber wenn der Flügel zu flattern beginnt, könnte es krachen.

So war das gemeint. Oder so ähnlich...

@Tim: Literatursammlung, klar, kann ich auf die Seite packen oder ins Forum. Ich kenne aber nur ein Fachbuch, die Werkstattpraxis von Jacobs/Lück.

Grüsse Klaus
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Low and slow!!
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