Gib Gummi einmal anders

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tiniro01
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Beitrag von tiniro01 » Sa 14. Okt 2006, 09:40

Ich steh mehr auf Holz und Ständerwerk; kommt einem Holzflieger mit beplanktem Rumpfgerüst noch am nächsten :)

Allerdings; die Sache mit dem Magnus-Effekt lässt mir schon keine Ruhe.
Aus den Erkenntnissen muss doch irgendwas für die Fliegerei abzuleiten sein.

Aber ich will Deinen Thread nicht verwässern.
Gruß Gert
Stephan
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Beitrag von Stephan » Sa 14. Okt 2006, 16:10

Verwässere, verwässere. Ich komme aus dem Googeln gar nicht mehr heraus. Immer wieder faszinierend für mich gelehrten Leuten zuzuhören...

Gruss Stephan
Lässt sich niemals durch den Amtsschimmel vom Himmel holen...
busbumde
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Beitrag von busbumde » So 15. Okt 2006, 16:17

@Gert und Stephan

Abschließend zum Rotor: Hier unten einmal eine Graphik, die zeigt, welche Auftriebs- und Widerstandscoeffizienten Rotore mit sich bringen. Zum Vergleich: Eine Ul-Tragfläche einfacher Bauart hätte ein bestes L/D von vielleicht 15 bei einem Auftriebsbeiwert von vielleicht 0,9 und einem Widerstandsbeiwert von 0,06. Mit den Beiwerten der Ul-Fläche könnte man in der Graphik also nur ganz unten links ein kleines Eckchen füllen.

Bild

Der Thom-Rotor braucht übrigens wesentlich mehr Antriebsleistung als der Flettner. Und eigentlich ist der Thom-Rotor bereits eine Art offen laufende Tesla-Pumpe. Das sind Pumpen, bei denen flache glatte Scheiben mit geringem Abstand schnell in einem Gehäuse rotieren und durch die Cohäsion Flüssigkeiten mit hohem Wirkungsgrad pumpen, ohne daß irgendwo eine Rauhigkeit oder gar "Schöpfkerben" in den runden Platten wären.

Der Flettner ist dagegen ein Wirbel (eine Zirkulation) bestimmter Länge und Intensität, dem man eine Anströmung (Translationsströmung) überlagert, was wiederum einen bestimmten Auftrieb und Widerstand zur Folge hat. Interessanterweise rechnen die Aerodynamiker mit solch einem idealisierten Wirbelmodell, wenn sie die Leistung eines Flügels bestimmen wollen. So gesehen ist der Flettner also das idealisierte Modell eines Flügels in realer Ausführung - so etwas gibt es recht selten in den Wissenschaften, weil die Modelle für die formale Behandlung (Mathematik) meist zu idealisiert sind, als daß man sie noch technisch erzeugen könnte.

Unten mein Versuchsrotor in einer Zeichnung.

Bild

Ich habe damals meine Erfahrungen an die AYRS in England geschickt, die sich mit Antrieben für Segelboote und alles was mit Booten überhaupt zu tun hat, beschäftigt. Die haben das dann in einem langen Artikel in ihrer Postille gebracht. (Wie schreibt man heute auf neudeutsch: "stolz sei") Das Interessante war, daß ich vermutlich als erster mit einem rauhen Tuchrotor gearbeitet habe - Sunnybespannung unterer Flügel ohne Nasendopplung - und dabei interessante Effekte fand, die von der herkömmlichen Theorie abweichen. So konnte ich dank der "weichen" und lauten Bespannung erkennen, wie der Druckpunkt wandert - etwas anders als in der Theorie. Der Rotor arbeitete auch anders als in der Theorie schon bei sehr geringen Differenzen von Anström- und Rotationsgeschwindigkeit optimal. Durch Zufall fand ich das heraus, als ich den Rotor bei Windstille testweise anlaufen lief, dann abstellte und in den hangar ging. Dann hörte ich ein Geräusch hinter mir und sah mein Trike in einem sehr leichten leichten Wind bei ganz langsam drehenden Rotor flott davondüsen und dann umkippen - mein Gewicht fehlte halt. Messungen zeigten dann viel zu viel Auftrieb/Vortrieb für so wenig Umdrehungen und Wind.

Ich dachte damals, man könnte mit Rotoren gut den Bodeneffekt verstärken, also den induzierten Widerstand der Rotoren drastisch verringen und den Auftrieb lassen bzw. steigern. Vor allem wäre aber die größte Gefahr des Bodeneffektflugzeuges gebannt: Es richtet sich in einer plötzlichen Bö auf und überschläg sich dann rückwärts. Rotoren kennen keinen plötzlichen Auftriebsanstieg mehr ab einer gewissen Leistung!

Ein Obering. von der RWTH Aachen hat mir ein paar freundliche Zeilen dazu geschrieben, und so sah mein Vorschlag für den Patenantrag aus, den ich aber vermutlich nicht eingereicht habe, denn kurze Zeit später gab es mich und die Tandem Aircraft nicht mehr. Jedenfalls nicht als funktionelle Einheit :mad:

Bild

Übrigens: Ideen sehen in Patentschriften immer so dämlich aus, weil man nur das Prinzip zeigen will und muß, nicht aber die wahre Gestalt!

Alles zusammen: Sehr interessantes, teils unerforschtes Gebiet, aber nicht zum Fliegen (Bodeneffekt vielleicht), optimal meines Erachtens für eine Segelflotte von Trimaramen oder Katamaranen zum Transport von Gütern auf Meeren. Hat Flettner ja schon nachgewiesen, könnte man aber mit Thom Rotoren und Katamaranen noch deutlich verbessern. Mir würde ja schon reichen, wenn mich Coca-Cola mit einer rotierenden Dose auf einem kleinen Katamarn für den Ammersee sponsorte. Dann natürlich ökologisch mit Tretantrieb. Problem: Dann erkennt man die Coca-Dose nicht mehr als solche etc.

Also: Leider auch nix für einen Ammerseepedaltreter, obwohl das doch ein ideales Programm zur "Körperertüchtigung" wäre - nennt man heute wohl open-air-Bodystyling.

Gruß Dieter
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tiniro01
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Beitrag von tiniro01 » So 15. Okt 2006, 17:17

Sauber!

Du hast Dich ja schon mehr mit der Materie beschäftigt als Du durchsickern hast lassen.
Und läßt mich mit einem langen Stock im Dunkeln rühren....ehrlich.. :)

Dann kennst Du bestimmt auch das Gerät, das bei Rhein-Flugzeugbau noch in den letzten Jahren entwickelt worden ist.
Wenn ich mich recht erinnere, wurde das Projekt nach dem Ende der Firma von privaten Leuten mit mir unbekanntem Ausgang fortgeführt und steht nur ein paar Orte weiter in einer Scheune.
Es war auch ein mehrsitziges Bodeneffektgerät ; eine Art Shuttle zum Personentransport.


Bild

(Hab das Bild eben erst gefunden und nachträglich eingefügt.
Der Link, aus dem es stammt ist auch interessant:
http://www.fhbb.ch/fhbb.php?open=nav301 ... ffekt.html)






Aber wie steht es eigentlich mit dem Verhältnis von Antriebsenergie der Rotoren zu Auftrieb(vortrieb)ssteigerung bei diesen Magnuseffekt-Geschichten.
Wenn man bei einem Rotorenboot mehr Leistung in die Rotoren steckt, als bei gleicher Motorisierung per Schraube für eine vergleichbare Geschwindigkeit herauskommt, ist die Sache ja nur eine schöne Spielerei.

Noch was:
Unter "Thom"-Rotoren hab ich nicht wirklich was finden können.
Gibts irgendwo Abbildungen?

Und:
Welche Funktion haben die auf Deinem Entwurf mit "4" bezeichneten Flächen?

Gruß Gert
Gruß Gert
busbumde
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Wort zum Montag

Beitrag von busbumde » Mo 16. Okt 2006, 06:05

Hallo Gert,

schönes Photo, schade, daß die Jungs finanziell nicht überlebt haben. Die RWTH Aachen, die leider nicht zur Elite-Uni gekürt wurde, war da über den Obering., der mir zum Rotorbodeneffekter den Kommentar schrieb beteiligt. Das alles hatte übrigens auch bei denen mal klein angefangen, mit nicht funktionierendem Hirth-F30-Motor - wer hätte es gedacht! - und mit einer funktionierenden!!! Bespannung als Sunny et al. von Karl Bohren. Sah hübsch aus in Alu und Tuch.

Es handelt sich dabei um das alte Lippisch-Prinzip, umgekehrtes Delta als Stauflügel niedriger Streckung, mit hoch gelegter Stabiliasierungsflosse hoher Streckung. Das Boot konnte auch richtig fliegen, also etwa Inseln überfliegen, war dabei aber nicht so handy wie eine Cessna 172. Genrelles Problem, der Artikel spricht es an:

Bodeneffekt beginnt bei einer Höhe ca. 50% Spannweite und ist gut bei 10% Spannweite. Dabei sind aber nur Stummelflügel kurzer Streckung sinnvoll, die ohne Bodeneffekt einen großen induzierten Widerstand haben. Bodeneffekt ist also - bezogen auf normale Flieger - der Flugzustand kurz vor dem Aufsetzen bei der Landung oder kurz nach dem Abheben - bei jedem Wetter. Diesen Flugzustand, der gemeinhin sehr viel Konzentration erfordert, zu einem Dauerzustand zu machen, ist wirklich nicht einfach mit den Flügeln so dicht über dem Wasser. Schon gar nicht mit einem kleinen Bodeneffekter mit wenig Masse, die schweben nicht stabil wie ein Wassertropfen auf der heißen Herdplatte auf einem Luftkissen!

Diese Probleme lassen sich ganz gut "beseitigen", wenn man sehr groß baut - 100 m Spannweite und mehr, 300 Tonnen Masse. Dann erst fliegt man im Bodeneffekt bei 10% Spannweite sicher außerhalb der Wellenhöhe und hat eine Flugmasse, die stabilisierend auf den Flugweg wirkt, sodaß eine Regelung der Flughöhe zeiteffektiv möglich ist und leichte Kurven mit entsprechender Schräglage gefolgen werden können. Die Russen machten das mit den Ekranoplanes in verschiedenster Ausführung - wie im Artikel gezeigt.

Jörg, deutscher Ingenieur, baute ein Leben lang zwei fast quadratische oder unterquadratische Tandemflügel in einem dichten Abstand hintereinander - zwischen zwei Rümpfe zuletzt. Schmaler langer Katamaran. Das System war bewußt fluginstabil - kopflastig - ausgelegt und stützte sich sozusagen auf dem vorderen Flügel ab. Es fliegt nur im einstelligen Prozentbereich der Spannweite, bei 4 m Spannweite also unter 40 cm hoch. Da braucht es ruhiges Wasser. Bei diesen Bedingungen ist es ideal, weil eigenstabil fliegend, aber nur mit hoher Antriebsleistung aus dem Wasser zu bekommen. Danach fliegt man die großen Motore spazieren, ohne sie noch zu brauchen. Gravierenderes Problem:

Bekommt solch ein Bodeneffektrutscher Wellenschlag und richtet sich auf, so wirken nicht mehr die Gesetze vom Auftrieb und halten das Ding stabil auf der Wasseroberfläche, sondern zunehmender Widerstand zerrt das Ding in die Vertikale und es überschlägt sich in hohem Bogen rückwärts, fast wie ein Formel-Auto, bei ebenfalls aus Auftrieb (negativem) plötzlich Widerstand wird. Das hat den Durchbruch von Jörg vereitelt - samt der benötigten ruhigen Bedingungen, die bei Rheinfahrt schon fast ihr Maximum hatten. Orro Funk war da mal in frühen Jahren mitbeteiligt.

Mein Ansatz sollte -bezogen auf die Fläche- den 8fachen Auftrieb wie Flügel im Staueffekt liefern und vor allem, wegen der Besonderheit der Rotoren, nicht boenempfindlich sein. Eine heute direkt mögliche Regelung der Rotorgeschwindigkeit über den Antrieb sollte eine gute Trimmung und Kurvenflug (in Maßen) ermöglichen. Fläche 4 ist patentantragstypisch viel zu klein gezeichnet, außerdem habe ich Thom wohlweislich weggelassen. Tatsächlich wäre die Fläche 4 viel größer gewesen und hätte das Ding schon bei geringer Geschwindigkeit getragen. Dies deshalb, weil ein Thom Rotor aktiv Luft beschleunigt und umlenkt - hier also unter diese Fläche Nummer 4. Vortrieb wäre durch durch konv. Props erfolgt.

Zu Deiner Frage nach der Effizienz gibt es zahlreiche Untersuchungen und sie bestätigen, daß Bodeneffekter günstige Transporter der Zukunft sein können. Meines Erachtens aber nie im kleinen, sondern nur im großen Stil. Also gigantisch mit 150 m Spannweite bei konventioneller Auslegung, so daß alle Frachter mit hohen Aufbauten und Wellen weit unterhalb des Flugzeuges bleiben. Ob man dann aus logistischen Gründen heute aber nicht doch lieber eine Antonov oder einen A 380 nimmt, ist eine offene Frage. Immerhin kann ein Flugzeug auf zahlreichen Flüghäfen landen, ein Bodeneffekter kann immer nur anlanden an der Küste.

Wenn klein, dann hätte der Rotor-Bodeneffekter vielleicht eine Chance, weil er - vielleicht - ein mehrfaches an Auftrieb bringen kann. Allerdings sind drehende Rotore, die nicht schwingen sollen, auch ein Problem.

Fortsetzung...
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... Fortsetzung

Beitrag von busbumde » Mo 16. Okt 2006, 06:07

Fazit: Bodeneffekt ist faszinierend, wenn man einen Schwan landen sieht (so wird er ja auch immer dargestellt), verliert aber seine Faszination, wenn man sich den Flugzustand und seine Umstände genauer betrachtet. Und heute ist er vermutlich nicht mehr wirtschaftlich, wenn man die gesamte Logistik mitberücksichtig.

Dann doch lieber auf windreichen Routen Frachtschiffe mit einem thomsch angenäherten Flettnerrotor als Langstreckenantrieb. Immer noch besser als von einem Gleitschirm gezogen zu sein, wie man das heute andenkt und ein System einfach mal vergrößert, ohne die Konsequenzen zu beachten. Denn ein Zugschirm, der für einen größeren Ölfrachter einige Tonnen wiegen muß, ist weder einfach zu handhaben, noch in die Luft zu bringen, noch wieder aus dem Wasser zu holen bei den möglichen Eventualitäten. Rotore sind dagegen widerstandarm im Sturm und selbstreffend und ziehen rauh auch bei geringen Windgeschwindigkeiten :grin: .

Ein Hoch also auf den Rotor - Amen! Und damit genug an Erinnerungen an eine Zeit, in der ich ein Bodeneffekt-Fan war.

Gruß Dieter
busbumde
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Beitrag von busbumde » Do 19. Okt 2006, 07:28

Ich möchte diesen Thread noch zum Abschluß bringen, sonst haben wir nur noch Meinungen ohne Erkenntnisse :oops:

Es ging um die Frage der Vereinfachung der Ansteuerung von Querrudern und Landklappen und ich habe da den Vorschlag gemacht, bei den Querrudern die Betätigung nach unten einem Gummizug zu überlassen. Die Konstruktion (hier nur Schema!!!) sähe dann für den von mir so geliebten Drei-Rohr-Flügel so aus:

Bild

Ein Drahtseil zieht an einem Hebel in der Tragfläche, der auf der anderen Seite von einem Gummizug belastet ist. An diesem Hebel ist dann eine Schub-Zug-Stange für das Querruder angeschlossen. Die Differenzierung ist hier im Hebel - übertrieben - eingebaut.

Das wird so funktionieren und auch die Querruderlager bleiben ohne Zusatzlast aus dem Gummi, da diese Kräfte alle vom Kugellager des Hebels aufgenommen werden. Allerdings dürfte die vorgesehene Ausweichfunktion des Querruder bei Überlast nach oben problematisch werden, denn dann bekomme ich ein Seillose im Flügel - und damit auch im Knüppel. Dieser Nutzen ist also wohl nicht ohne Mehraufwand erreichbar. Somit sollte der Gummizug so straff sein, daß kein Ausweichen auftritt.

Für die übergeschwindigkeitsgefährdeten Landeklappen, die gleichsinnig ausweichen, könnte dagegen der oben gezeigte oder ein wesentlich einfacherer Mechanismus sinnvoll sein. Fazit:

Man kann den Gegenzug einer Drahseilansteuerung durch einen Gummizug in der Fläche ersetzen und kommt dann zu einer recht reibungsfreien Lösung (Gummizugbelastung liegt unkritisch im Kugellager des Hebels, nicht auf den Ruderlagern). Ob das einfacher ist als ein Push-Pull-Betätigung, das ist eine andere Frage. Billiger vielleicht.

Und fertig

Gruß Dieter
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