Moin moin, TDC!
Ich muß Dir leider schreiben, daß Du TOTAL im Irrtum bist.
NICHT etwa, was deine Erklärungen und Ausführungen über die Kurvenfliegerei in oder aus dem Wind angeht - die sind allesamt richtig - sondern bezüglich Deines Glaubens, in Foren den Leuten etwas erklären zu können, was sie nicht wahr haben wollen! Das klappt so gut wie nie.
Genau zu diesem Thema hab ich das mit folgendem Beispiel auch schon mal versucht - allein geholfen hat es nicht.
[Beispiel]
Vor dir auf dem Tisch steht eine kleine Glasschale, darin eine große Kugel langsam schmelzendes Vanille-Eis, darüber Mutters gezuckerte Erdbeeren mit viel Saft und als Krönung eine ordentliche Portion Schlagsahne oben drauf.
Während Du dich noch nicht entschieden hast, zu warten bis das Eis noch weicher geworden ist, oder mit dem Löffel etwas nach zu helfen, taucht plötzlich eine Wespe auf, der ebenfalls schon das Wasser im Munde zusammenläuft (wer wollte es ihr verdenken).
Unsere gelb-schwarze Fliegerkameradin traut der Sache noch nicht so ganz und zieht erstmal Kreise um die Eisschale. In 20 cm Entfernung, mit 60° Schräglage und 2 g brummt die kleine Feinschmeckerin um ihr zweites Frühstück - mit gleichbleibenden, geschätzen 6 km/h.
Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob sich das Geschehen bei Dir zu Hause in der Küche abspielt, oder im Speisewagen eines mit 100km/h Fahrenden Zuges. Die Wespe fliegt immer mit 6 km/h. Ob nun gerade mit oder gegen die Fahrtrichtung des Zuges, merkt sie nicht (weil sie nicht aus dem Fenster sieht und nur Augen für's Eis hat). Dir als am Tisch sitzende Person im Zug ist das auch völlig klar - logisch!
Und was ist mit Leuten außerhalb des "Bezugssystems" namens Speisewagenabteil?
In einiger Entfernung neben den Gleisen auf einem Feld steht nämlich Landwirt Edgar mit seiner schwangeren Magd (Bauer and Bitch), blickt mit einem Fernrohr durch das Fenster des Speisewagens auf das Geschehen und versucht, mit Hilfe seines Modellfliegergehirns (Maßstab 1:16
) sich auf die von ihm beobachteten eiernden Flugbewegungen der Wespe einen Reim zu machen - klappt natürlich nicht.
Überflüssig zu erwähnen, dass er niemals Zug gefahren ist, geschweige denn im Speisewagen eines fahrenden Zuges ein Vanille-Eis mit Erdbeeren und Schlagsahne verspeist hat.
Würde er nämlich mal in einem fahrenden Zug eine Fliege beobachten, oder in einem Heißluftballon fahren, der von einem Flugzeug umkreist wird, ginge ihm schlagartig ein Licht auf:
Der Ballon bewegt sich in und mit dem ihn umgebenden Luftpaket, Geschwindigkeit (TAS) ist Null, im Korb des Ballons weht kein Wind. Das Flugzeug hat während der Vollkreise immer gleichen Abstand und Winkelgeschwindigkeit, es steigt nicht auf der einen Seite, während es auf der anderen auch nicht sinkt, die Airspeed des Flugzeugs ist immer die gleiche.
2000 m weiter unten dreht sich die Erde unter dem Ballon und dem Flugzeug hindurch, bei wenig Wind langsam, bei starkem Wind schnell - und hat auf das Geschehen in 2000 m Höhe (bezüglich den von uns diskutierten Parametern) keinen, aber auch nicht den geringsten Einfluss! Nicht theoretisch und nicht praktisch. Wie auch?
[/Beispiel]
Das kann doch eigentlich nicht so schwer zu verstehen sein, oder?
Kreise um einen sich im selben Luftpaket befindlichen Ballon sind etwas völlig anderes als Kreise um auf dem Boden befindliche Pylone (bei Wind).
Vom Boden aus betrachtet sehen nämlich gleichmäßige Flugbahnen um Ballone wie Schleifen mit (scheinbar) stark wechselnder TAS/IAS (in Wirklichkeit nur stark wechselnde GS), aber gleichbleibender Schräglage und Winkelgeschwindigkeit aus.
Vom Ballon aus betrachtet sind die Flugbahnen um die Pylone keine Kreise sondern Schleifen mit stark wechselnden Winkelgeschwindigkeiten, Fliehkräften und Schräglagen.
Kein Wunder also, daß sich immer wieder Leute auf die Fresse packen, die bei Wind Kreise um (meist auf dem Boden fest stehende
) Häuser ihrer Verwandten drehen wollen, dabei aber vergessen, daß sie sich im Bezugssystem Luft befinden.
Eine in bodennähe höher empfundene Geschwindigkeit als die tatsächliche sowie bodennahe Verwirbelungen kommen noch obendrauf, und der Kreis schließt sich.
Also noch einmal: Irritationen treten immer dann auf, wenn das Geschehen aus einem anderen Bezugssystem heraus beobachtet wird. Das ist auch der Grund, warum Modellflieger nur schwer begreifen, was für Segelflieger und Ballonfahrer offensichtlich ist.
Der Vollständigkeit halber hier noch die Betrachtungsweise "kinetische Energie": Von ausserhalb des Bezugssystems betrachtet ist auch hier die Lösung einfach (Beispiel Wind 70km/h, Fluggrät 70 km/h IAS): Um (von aussen betrachtet) von 0 km/h (Groundspeed, Flug gegen den Wind) auf 140 km/h (mit dem Wind) zu drehen, ist dieselbe Energieumwandlung erforderlich wie bei der Drehung von 140 km/h auf 0 km/h. Masseträgheit, Fliehkraft, Luftkräfte, kinetische Energie usw. sind in beiden Fällen identisch - und
die Airspeed bleibt auch gleich!
Wo ist also der Widerspruch? Es gibt keinen!
Eventuelle Beobachtungen von sinkenden oder steigenden Modellen bei "ungesteuertem" (meint unkorrigiertem, gleichmäßigem) Kreisflug sind nur eingebildete "Scheinbeobachtungen", also schlecht beobachtet oder falsch geflogen.
Und wie ist das mit dem dynamischen Segelflug? Hier ist ein Energiegewinn (besser Energieaufnahme) möglich weil man im Fluge von einem Bezugssystem (Luftschicht) in ein anderes wechselt, die Flugrichtung ändert und wieder wechselt! Gewinnt man beim Wechsel der beiden sich gegeneinander bewegenden Luftschichten jeweils mehr Energie als man für den Flug inklusive 180°-Wende in dieser Luftschicht abgibt, kann man die relative kinetische Energiedifferenz zwischen den beiden Luftschichten ausnutzen und so lange oben bleiben, wie diese Energiedifferenz fortbesteht.
Wurde oben angesprochen, hat aber mit unserem Thema eigentlich gar nichts zu tun.